Bilder des Alters und des Alterns im Fernsehen
Eine Studie im Auftrag des WDR, 1999

Ältere Menschen ab 60 Jahre sind zwar in den Fernsehprogrammen anzutreffen. Es besteht jedoch eine deutliche Diskrepanz zwischen der Präsenz Älterer und der Behandlung altersspezischer Themen. Ältere haben TV-Präsenz, wenn sie Funktionen mit Macht und Einfluß ausüben oder in Konflikten Betroffene sind. Ihre Präsenz steigt, wenn sie Prominente im Kultur- und Showbusiness sind, oder wenn sie sich als skurrile vom normalen Leben unterscheidbare Figuren für die Fernsehinszenierung eignen. Diese Faktoren sind aber nicht altersspezifisch oder altersdiskriminierend, sondern sie sind allgemein fernsehspezifisch und gelten ebenso für andere Gruppierungen in der Gesellschaft. Die Aussparung altersspezifischer Themen dagegen hat direkt etwas mit dem Alter zu tun. Hierfür kämen Erklärungen in Betracht, die über die empirische Inhaltsanalyse des Fernsehprogramms hinausgehen und eher in den psychologischen Verdrängungsmechanismen zu suchen wären.

Die gegenwärtige Altersgrenze, von der ab der Begriff alt angewandt wird, stimmt nicht mehr mit der realen Lebenssituation überein. Eine pauschale Zuweisung der Menschen ab 60 Jahre zur Gruppe der Alten erscheint um so weniger haltbar, je weiter sich das erwartbare Lebensalter hinausschiebt und moderne Lebensformen der heute 60-Jährigen nicht mehr mit dem semantisch eher negativ besetzten Begriff alt vereinbar sind. Unterscheidet man zwischen formal-demographischer und funktionaler Definition des Alters, würden sich scheinbare Widersprüche in den Befunden über die Darstellung des Alters und des Alterns im Fernsehen auflösen lassen. Es gibt viele formal-statistische Alte, weil sie real existent sind und an Zahl und Potential mehr werden. Es gibt aber wenig Altes, weil es weder der Fernsehästhetik und den erwünschten kollektiven Projektionsbildern noch den geforderten Marktstrategien der kommerziellen Fernsehlogik entspricht. Da sich die Rahmenbedingungen der Konkurrenz, an denen sich alle Fernsehsender im dualen System mehr oder weniger konsequent orientieren, in der absehbaren Zukunft kaum ändern werden, dürfte zwar damit zu rechnen sein, daß Ältere ab 60 Jahre entsprechend ihres demographischen Zuwachses tendenziell häufiger im Fernsehen vertreten sein werden, daß sich damit aber nicht auch die Chancen erhöhen werden, häufiger mit dem Alten im Sinne von Funktionsdefiziten konfrontiert zu werden.